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Der Homo Kann-ich-alleine

 
Gehören Sie etwa auch zu der ebenso genialen wie geplagten Spezies Mensch, die alle Gebrauchsanleitungen grundsätzlich ungelesen wegschmeißt ?

Diese Gattung des Homo Kann-ich-alleine folgt einem unwillkürlichen Impuls, wenn neue Sachen in Gebrauch genommen werden. Der Homo Kann-ich-alleine gehört nicht zu denen,die Verpackungen zartfühlend aufpulen,um das erworbene Gut danach mit chirurgischer Präzision freizulegen.
Bei Ihm, werden die Verpackungen weggefetzt.Das erworbene Gut muß sofort in Betrieb genommen werden. Bei IKEA-Regalen führt das dazu, daß sie schief und futuristisch anmuten, ehe sie wieder in sich zusammenbrechen. Computer und Zubehör verweigern hingegen ebenso unspektakulär wie hartnäckig ihren Dienst.

SCHEIßE,GEHT NICHT ist der erste Satz,den der Homo Kann-ich-alleine nach dem typischen WILL ICH HABEN über die Lippen bringt. Die Frustration über das Gerät,das frecherweise seinen Dienst verweigert, schlägt in hektische Betriebsamkeit um. Der Homo Kann-ich-alleine fummelt an allen Kabeln und Steckverbindungen herum und würdigt der Bedienungsanleitung keines Blickes. Denn es gilt: DAS GERÄT IST IMMER  CHULD,DER BENUTZER NIE!
Wenn das störrische Ding,nehmen wir mal an,es handele sich um ein externes CD-ROM-Laufwerk,weiter streikt, tritt der Homo Kann-ich-alleine in die Bastelphase in. Hier blüht er richtig auf. Jetzt gelten keine Gesetze mehr,jetzt wird radikal an allem manipuliert. Bei der Treibersoftware werden die Parameter verstellt,bis von den DÄMLICHEN Werkseinstellungen nichts mehr übrig ist. Dabei gilt,nie eine Sache nach der anderen verändern,sondern immer möglichst viele auf einmal. Das verhindert nicht nur eine planmäßige Fehlersuche,sondern garantiert auch,daß die lustvolle Bastelphase unendlich verlängert werden kann.

UND DAS SCHÖNSTE BEI DIESER EXPERIMENTIERPHASE IST,DAß DAS HANDBUCH
IMMER NOCH UNBERÜHRT IN DER ECKE LIEGEN BLEIBEN KANN.

Wenn die Bastelei an der Software keinen Spaß mehr macht,weil nur merkwürdige Dinge geschehen,tritt der Homo Kann-ich-alleine in die Hardwarephase ein. Völlig unangetastet von Selbstzweifeln - er hat ja wirklich alles versucht - folgert der Homo Kann-ich-alleine messerscharf:

WENN ES NICHT AN DER SOFTWARE LIEGT KANN NUR NOCH DIE HARDWARE SCHULD SEIN.

Entschlossen greift er zum Schraubenzieher. Jetzt kann ihn nichts mehr aufhalten. Egal,ob die Garantieansprüche durch die Öffnung des Geräts erlöschen oder er unachtsam einen Schaden verursacht - jetzt muß er schrauben.
Tiefenpsychologen gehen davon aus,daß es Menschen gibt, die erst dann das Gefühl haben, ein Gerät wirklich zu besitzen, wenn sie das nagelneue Stück selbst  useinandergenommen und es sodann,mehr schlecht als recht, wieder zusammengebaut haben. Wenn das Gehäuse abgenommen ist ,überlaufen den Homo Kann-ich-alleine wohlige Schauer.

ENDLICH LIEGT DAS ALLERHEILIGSTE VOR IHM.

Mit archäologischer Vorsicht wird zunächst das Kabel-und Platinengewirr
in Augenschein genommen. Wissend grummelt der Homo Kann-ich-alleine vor sich
hin,wenn es ihm gelingt die Bedeutung der Bauteile zu enträtseln. Dann
beginnt er einzelne Kabel beiseite zu schieben,um auch entlegenere
Platinen betrachten zu können. Danach folgt die Zupfphase,in der hier und
da an Bauteilen gezogen wird,um ihren Sitz zu prüfen. Wenn das nichts
nützt,was es nie tut,aber keinen Homo Kann-ich-alleine je zum Verzicht auf
dieses Ritual bewegen würde,beginnt der Ernst des Lebens. Nun müssen
tiefgehende Eingriffe in das Gerät vorgenommen werden. Eine Operation
am offenen Herzen sozusagen. Daß das Gerät eigentlich brandneu und
funktionstüchtig war, als es Stunden zuvor gekauft wurde,ist längst vergessen.
Es sieht auch nicht mehr so aus. SPEZIELL FÜR DIE PSYCHICHEN BEDÜRFNISSE
DES Homo Kann-ich-alleine WURDEN DIE JUMPER ENTWICKELT. Kleine Steckerchen,
die man am besten mit der Pinzette anfaßt,die aber so robust und idiotensicher
sind,daß man damit keinen Schaden anrichten kann. Mit Jumpern hat man viel
Spielfreude,besonders,wenndie Teilchen verschütt gehen. Hardwarehersteller
mit einem Herz für den Homo Kann-ich-alleine gönnen ihm etliche Pins,die er
mit dem Jumper verbinden kann. Wer zwei Jumper auf zwölf Pins zu verteilen hat,
beschäftigt sich stundenlang mit den Kombinationsmöglichkeiten. Ist diese Phase
nicht mit Erfolg gekrönt,gerät der Homo Kann-ich-alleine in eineexistentielle
Krise.Soll er doch zum Handbuch greifen ? Alles in Ihm sträubt sich, doch was
bleibt ihm übrig?  Wiederwillig greift er zum Druckwerk. Aber geschlagen gibt
er sich noch lange nicht. Es bleibt ihm eine letzte Möglichkeit, um seine
Selbstachtung als autarker Computerbenutzer zu wahren: Sein Leseverhalten.

Der Homo Kann-ich-alleine liest Handbücher nicht von vorne, sondern schlägt sie
willkürlich auf, blättert herum und versucht sich ohne die Hilfe des
Inhalts- oder Stichwortverzeichnisses eine Orientierung zu verschaffen..
Irgendwann stößt er auf einen Passus, von dem er glaubt, daß der auf sein
Problem zutrifft.

Entscheident für den Glauben, daß ihm ausgerechnet dieser Tip weiterhilft, ist nicht die Plausibilität dieser Lösung, sondern vor allem, daß er selbst noch nicht auf die Idee gekommen ist. JETZT DROHT DIE SPONTANE PROBLEMLÖSUNG, was den Homo Kann-ich-alleine mit geknicktem Selbstbewußtsein zurücklassen würde.
Glücklicherweise sind aber fast alle Handbücher so geschrieben,daß man nicht Gefahr läuft von Ihnen Hilfestellung zu erfahren. Entweder gehen die Autoren davon aus,daß man die Bücher von A bis Z liest, oder sie strotzen vor technischem Kauderwelsch,das in achtzig Prozent aller Handbücher steht.

Das ist völlig egal, denn verstehen tut das ja eh keiner. Spätestens, wenn die
Bedienungsanleitung nicht weiterhilft,folgt der Griff zum Telefonhörer.
Ein Freund wird angerufen,der ebenfalls zur Gattung des Homo Kann-ich-alleine
gehört, und die Prozedur beginnt von vorne. Irgendwann kommt der Punkt, an dem alles wieder zusammengeschraubt und die Treibersoftware von neuem aufgespielt wird.
Alles soll wieder so sein,als wäre das Gerät neu. Das ist die Stunde der tiefsten Verzweiflung des Homo Kann-ich-alleine. Er muß sich geschlagen geben.
Umtauschen kann er das Gerät nach all den Operationen natürlich nicht mehr.

DOCH IN DIESER STUNDE DER HÖCHSTEN NOT,WENN MAN SCHON ALLE HOFFNUNG HAT
FAHRENLASSEN, GESCHEHEN ZEICHEN UND WUNDER.

Der Homo Kann-ich-alleine entdeckt die fehlende  Kabelverbindung, den unvollständigen Installationsvorgang oder den Knopf zum Anschalten. Seine ärgsten Feinde findet der Homo Kann-ich-alleine im Internet Hier wird sein Problem schlicht geleugnet und mit einem Verweis auf die FAQs, die Frequently Asked Questions, gekontert.

Coole brauchen nur vier Buchstaben, um den Homo Kann-ich-alleine seines Selbstbewußtseins zu berauben: RTFM - Read The Fucking Manual!